Uta Koch-Götze zur Ausstellung `birgit a. jansen - neue arbeiten – rot´ in der galerie futura 2009


Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste,

ich begrüße Sie heute herzlich im Namen der galerie futura zu der Ausstellung mit Arbeiten der Künstlerin Birgit A. Jansen.

 

Diese Ausstellung lädt wenig spektakulär mit dem schlichten Titel: neue arbeiten – rot ein und richtet den Blick der Besucher damit auf den Fokus Farbe.

 

Birgit Jansen gehört zu den Künstlerinnen, die sich nicht vordergründig thematisch exponieren, die bewusst ihre Arbeiten ohne Titel in die Sehwelt entlassen und die sich konzeptionell als Meisterin der Abstraktion vorstellen, deren künstlerische Handschrift aber nicht weniger individuell geschärft ist und auf ein reiches Ouvre zurückverweisen kann.

 

Wir begegnen in diesem Werk einer hochartifiziellen Mischung aus einem gezielten Interesse an Farbe im Zusammenwirken von Fläche und Raum, einer Komposition mit geometrischen Formelementen wie organischen Strukturen, einer Vorliebe für Collage und Decollage und als hervorrgendes Phänomen der Kühnheit des großen Formates.

 

Als charakteristische Beispiele haben wir drei der großformatigen Arbeiten ausgewählt, die jeweils für eine eigene künstlerische Auffassung im kompositorischen Umgang und Zusammenspiel von Farbe und Form in Raum und Fläche stehen. Alle drei variieren dabei das Farbthema Rot in seinem fast unerschöpflichen Nuancenreichtum dieser Primärfarbe, die für das Werk der Künstlerin so bedeutsam ist und in dieser Bedeutung eine thematische Ausrichtung ihres Gesamtwerks entwirft.

 

Bei Johannes Itten in seinem Standardwerk "Kunst der Farbe" heißt es: "Farben sind Strahlungskräfte, Energien, die auf uns in positiver oder negativer Weise einwirken, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht" und wir, die Kunstliebhaber, setzen uns mit offenen Sinnen den Farben als Ausdrucksträgern und Energiefeldern aus.

 

Die affektiven Wirkungen gerade der Primärfarben Rot, Blau und Gelb blicken dabei auf einen reichen Fundus abendländischer Ikonografie zurück, dessen Tradition sich inzwischen längst mit der interkulturellen Symbolsprache mischt.

 

Der Assozitionsreichtum der Farbe Rot und seiner Konnotationen differenziert zwischen dem leuchtenden Rot mit seiner magischen Suggestivkraft, das bis ins Purpurrot reicht, und den ins Braunrot changierenden Farbtönen, die grenzwertig nur noch einen Anteil an Rot erahnen lassen.

 

Birgit Jansen bewegt sich souverän in beiden Spektren und experimentiert mit delikaten Abstufungen und Mischungen, die vor allem durch Überlagerungen vielfältiger Farbschichten entstehen. Übermalungen, Schichtungen, die bewusste Wahl von Mischtechnik und Collage und Decollage sind nicht allein formale Zugänge und konzeptionelle ästhetisch-technische Entscheidungen, sondern eher Rahmenbedingungen und Hinweise auf den inhaltlichen Impetus hinter einem künstlerischen Werk.

 

So auch bei Birgit Jansen, wenn sie formuliert: "Jedes Bild ist eine neue Wirklichkeit" und "Das Bild wird zum Gegenüber". Das Bild als innerer Dialog auf der Suche nach Selbstversicherung, nach Veränderung des Seins im Hier und Jetzt, nach Metamorphose in Annäherung an die gültige Form, die die Balance zur inneren Ausdruckswelt findet?

 

Die Arbeiten von Birgit Jansen sind fraglos Spiegel eines virulenten Prozesses auf dem Weg der Formwerdung des eigenen Seins. Die charakteristisch großen Formate, die in ihrer Ausdehnung den Köpermaßen der Künstlerin zu entsprechen scheinen, deuten ebenso darauf hin wie die bevorzugte Wahl der Farbe Rot, die beide zusammen das Thema der Körperbezogenheit geradezu potenzieren. Die Anlage der überdimensionalen Farbflächen, die von weitem eine monochrome Anmutung haben, erweisen sich bei näherem Blick als Farbauftrag mit dem dynamischen Duktus von mit breitem Pinsel aufgetragenen Schwüngen – zusätzlich mit deutlichen Farbverläufen, die wie Tränenspuren die Fläche zart strukturieren.

 

Um die Fläche formal zu gestalten und ihrem Fluss über die Bildränder hinaus Einhalt zu gebieten, finden wir bei Birgit Jansen häufig die Anlage eines Bildaufbaus in zwei ungleiche Teile im Sinne eines Dyptichons, das oft aber nur in der Zweiteilung innerhalb eines Bildes konzipiert ist. Mit diesen Randbereichen, die links- oder rechtsseitig angelegt sein können, gibt sie dem Gesamtwerk den Halt, den es braucht – akzentuiert durch Kontrastfarben im dunkleren Farbtonus.

 

Ähnlich setzt sie als Strukturelemente geometrische Segmente in die Fläche ein, die im Raum angeordnet werden als schwebend, fallend, den Blick verstellend oder als Blick-Durchbrüche in Räume hinter eine scheinbar geschlossene Oberfläche locken, die sich in ihrer Gebrochenheit und Unvollkommenheit als Illusion erweist. Daneben finden sich immer wieder Gitterstrukturen in Diagonalausrichtung, die als Balkenensembles übereinandergeordnet sind, als wollten sie Einblicke versperren, so dass wir im Gesamtwerk der Künstlerin immer wieder auf das Schwanken zwischen Abgrenzung und Offenheit, zwischen Vordergrund und überraschender Raumtiefe stoßen, die die Künstlerin in einer meisterhaften Balance zu halten versteht.

 

Neben der Vorliebe für geometrische Elemente steht -oft im Dialog dazu- die mit elementarer Kraft eingeschriebene organische Form wie die Kreisform oder die Ellipse, die wie überdimensionale Zellformen Bildteile miteinander in Beziehung setzen.

 

In Verbindung mit dem Mythos der Farbe Rot als Ausdruck elementarer Lebensenergien und der kosmischen Verbundenheit allen Seins, gewinnt der weibliche Kontext damit einen unübersehbaren Stellenwert. Organisches wie Anorganisches gehen dabei oft eine unerwartete Synthese ein, die mühelos Gegensätze zu verbinden weiß.

 

Wenn man in diesem Zusammenhang die Ambivalenz von weiblichem und männlichem Gestaltungswillen erkennen möchte, rücken wir Birgit Jansen ganz unwillkürlich in die Nähe der Künstlerin Meret Oppenheim und ihres formulierten und gelebten Kunst- und Lebenskonzepts: "Der schöpferische Geist ist androgyn."

 

Das Credo der Künstlerin Birgit Jansen ist sicher kein explizit weibliches aber eines, das das "Denken in Formzusammenhängen" – in ihren eigenen Worten – mit den intuitiven Ebenen im Prozess der individuellen Selbsterkundung souverän zu verbinden versteht. Daraus ist ein Oeuvre von delikater ästhetischer Kraft entstanden, in das wir in dieser Ausstellung einen überzeugenden Einblick gewinnen können.

 

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen für diesen Abend noch viele verzaubernde Entdeckungen!